Adventskalender 2020

10. Türchen: Das Geständnis

Adventszeit -  Plätzchen backen, Kerzen entzünden, Lieder singen und warten auf das große Fest. Besonders für Kinder eine wunderbare Zeit. 

So war es auch bei uns früher. Meine kleine Schwester, 1 Jahr und 2 Tage nach mir auf die Welt gekommen und ich waren immer voller Vorfreude. Eine der wichtigsten Vorbereitung bestand darin, den Wunschzettel zu schreiben. Und dann wachsende Hoffnung und Erwartung bis zum Heiligen Abend – was würde das „Christkind“ wohl bringen?

Bei uns war es so, dass wir grundsätzlich etwas zum Anziehen vom „Christkind“ bekamen. Diese „Weichgeschenke“ waren uns bekannt, hatten wir sie doch vor dem Kauf ausgesucht und anprobiert. Außerdem gab es aber immer noch ein Geschenk vom Wunschzettel; welches das war, wussten wir nicht – eine echte Überraschung.

Als wir etwa 7 und 8 Jahre alt waren, konnten meine Schwester und ich die Spannung vor Weihnachten nicht aushalten. Zum ersten Mal beschlossen wir, unsere Überraschungsgeschenke zu suchen: 

Im Keller fanden wir nichts, abgesehen von gehorteten Lebkuchenherzen, Dominosteinen und ähnlichen Leckereien für die Festtage. Da blieb nur noch die überschaubare Wohnung, in der wir lebten. In Speisekammer, Küche und Wohnzimmer: nichts. Der Flur war zu klein und die Gäste-Toilette ebenfalls (wäre auch ein merkwürdiges Versteck gewesen) …unser Kinderzimmer konnte ebenfalls ausgeschlossen werden. Somit blieb nur noch das Schlafzimmer der Eltern. Unter dem Bett war nichts, der Kleiderschrank war zu hoch als dass etwas darauf liegen konnte, aber in dem Schrank… Wir schoben die schweren Türen zur Seite und suchten auf der „Seite unseres Vaters“ und fanden – nichts. In der anderen Schrankhälfte, unter Pullovern und hinter T-Shirts waren sie: zwei kleine Kartons, jeder mit einer anderen Barbie-Puppe und sogar noch ein Spiel, dass wir uns gewünscht hatten! Oh, wie haben wir uns gefreut und gelacht! Nur schnell alles wieder verstecken, den Schrank schließen und schnell das Zimmer verlassen.

Meine Schwester und ich spielten in Gedanken schon mit den Barbie-Puppen und freuten uns sehr. 

Wenige Tage später war es dann soweit. Morgens wurde der Baum geschmückt, meine Mutter war wie immer im Vorbereitungsstress (putzen, Essen vorbereiten, Kinder baden, …) und schließlich gingen wir zum Weihnachtsgottesdienst. Wir aßen zu Abend, sangen Lieder am entzündeten Weihnachtsbaum und es kam die Bescherung. 

Meinen Eltern war die Vorfreude anzusehen, als wir die Erlaubnis bekamen die schön drapierten Geschenke öffnen zu dürfen. Wir packten unsere Geschenke aus und fanden sie schön - aber irgendetwas fehlte. Die überschwängliche Freude, wie wir sie sonst immer fühlten, wie sie noch beim Entdecken der Geschenke da gewesen war, wollte sich einfach nicht einstellen. Meine Eltern merkten dies sofort und verstanden es nicht.

Also beichteten meine Schwester und ich unterm Weihnachtsbaum, dass wir die Geschenke gesucht und gefunden hatten. Unsere Eltern waren enttäuscht, doch die größere Enttäuschung erlebten wir – wir hatten uns selbst die Freude gestohlen.

Ab da galt die Vereinbarung, dass wir nicht wieder im nun offiziellen Geschenke-Versteck meiner Mutter stöbern würden. Daran haben wir uns gehalten, denn wir wollten uns nicht noch einmal selbst um die Überraschung und Freude betrügen, wie in diesem einen Jahr. Und dennoch wirkte sich unsere „Suche“ auch später noch aus…

… 3 oder 4 Jahre später am Heiligen Abend war es meine Mutter, die unruhig war. Nach der Bescherung sagte sie mehrfach, dass sie das Gefühl habe, dass etwas fehlt. Was, das wollte ihr nicht einfallen.

Und so vergingen die Wochen. Anfang Februar standen die Geburtstage meiner Schwester und von mir an. Zu unserer großen Überraschung fielen die Geschenke größer und zahlreicher aus, als sonst üblich. Dies erklärte unsere Mutter so: nachdem wir vor Jahren das Weihnachtsgeschenk-Versteck gefunden hatten, versteckte sie fortan die Weihnachtsgeschenke an unterschiedlichen Stellen – vorsorglich. 

Beim letzten Weihnachtsfest hatte sie die Motiv-Wolldecken für uns vorsorglich im Keller tief hinten in einem Schrank versteckt – und vergessen. Weder Geschenk noch Versteck waren ihr eingefallen, als sie überlegte, was wohl noch fehlte. Erst als sie die Kerzenkränzchen für die Geburtstage suchte, fand sie die gut versteckten Weihnachtsgeschenke und hatte sie kurzer Hand zu Geburtstagsgeschenken umgewandelt. Es war ihr sehr unangenehm.

Ja, hätten wir damals nicht…

 

Sylvia Pfefferle, Vöhl

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