"Kreuz des Südens" heißt ein Sternbild aus vier hell leuchtenden Sternen, die nur auf der Südhalbkugel der Erde zu sehen sind. Dort, auf der südlichen Hälfte der Erde, wo wir 6 Jahre gelebt haben, in Paraguay, ist vieles ganz anders als hier in Europa, z.B. ist Weihnachten mitten im heißen Hochsommer, denn die Jahreszeiten sind genau an-dersherum als hier bei uns. Im Dezember, Januar und Februar haben die Schulkinder drei Monate Sommerferien, denn dann gibt es dort Temperaturen um die 40 Grad im Schatten. Und Weihnachten ist natürlich trotzdem am 24./ 25. Dezember.
In einem Jahr hatten sich die Leute in einer unserer Filialgemeinden - das war 150 km entfernt - gewünscht, dass nach dem Weihnachtsgottesdienst, der wegen der großen Entfernung schon am 23.12. gefeiert wurde, für die vielen Kinder einmal ein "Weihnachtsmann" kommen sollte, nicht mit Geschenken, das gab es da überhaupt nicht - die meisten Menschen waren viel zu arm, sondern um die Kinder zu loben und zu ermahnen.
Schließlich erklärte ich mich bereit, den Weihnachtsmann zu spielen. Nach dem Gottesdienst zog ich, versteckt hinter der kleinen Urwaldkirche, schnell einen langen Mantel über, irgendjemand hatte außerdem große Gummistiefel, eine rote Wollmütze (bei 40 Grad!) und einen Bart aus Baumwolle zum Ankleben bereitgelegt. Die Mütter hatten mir vorher einige kleine Streiche ihrer Kinder erzählt, aber meistens ging es nur darum, den Kindern zu sagen, weiter fleißig zu sein, zuhause viel zu helfen und gut zu lernen. Nur bei den 6-jährigen Zwillingen einer Familie ging es um mehr: Diese beiden kleinen Kerle hatten ein paar Tage zuvor heimlich sämtliche Hühnernester ausgeräumt, 32 Eier eingesammelt, in der Küche eine große Pfanne und Streichhölzer stibitzt, im angrenzenden dichten Wald ein Feuerchen gemacht und im Laufe des Vormittags 32 Spiegeleier verputzt ! Als der Weihnachtsmann das alles erzählte, brach ein schallendes Gelächter aus, zum großen Glück für die Zwillinge, die doch sehr ängstlich geschaut hatten und nun sehr erleichtert waren, nicht gestraft zu werden.
Inzwischen war es fast dunkel geworden, in der Ferne konnte man helles Wetterleuchten sehen und ein ganz leises Donnergrollen war zu hören. Das war gefährlich für uns, denn wenn es in den Tropen regnet, ist das nicht so ein leichter Regen wie bei uns meistens, sondern es ist so, als ob im Himmel ständig Badewannen ausgeschüttet werden. Dann sind im Nu die Wege aufgeweicht, die ja nur aus Sand oder Lehm bestehen, und es werden alle Straßen mit einer Schranke verschlossen, sodass kein Durchkommen mehr ist.
Also musste es jetzt so schnell wie möglich gehen: gut versteckt schnell Mantel und Mütze aus, Bart ab, raus aus den Gummistiefeln, schnell in die Sandalen. Oh weh, anstatt in die Sandale war ich mit dem rechten Fuß in einen großen rostigen Nagel getreten, der in einer Schindel steckte.(Schindeln sind kleine Holzbretter, mit denen man ein Dach decken kann, in jeder steckt ein großer Nagel.) Erst als ich, auf dem linken Fuß balancierend mit Mühe das Brett von der Fußsohle abzog und es blutete, spürte ich den Schmerz.
Nun schnell ins Auto. Und diesmal ließ uns unser altes Gemeindeauto, ein kleiner Peugeot Pickup mit total abgefahrenen Reifen und einem ständig defekten Motor, nicht im Stich: 150 km Erdstraße- und das Gewitter zog immer mit uns. Alle Schranken waren noch geöffnet, und erst als wir nach etwa drei Stunden Fahrt in unser Grundstück einbogen, fing es an zu schütten. Gott sei Dank für diesen aufregenden vorweihnachtlichen Abend!
Am nächsten Morgen am 24.12. war das Unwetter abgezogen und das Thermometer zeigte schon wieder 40 Grad. Abends feierte die Gemeinde in unserem Wohnort das Weihnachtsfest. Viele Jugendliche hatten mit uns im Freien ein großes Krippenspiel vorbereitet: Joseph führte seine Maria auf einem braven Esel, die Hirten saßen am lodernden Feuer, ein großer Engelschor sang Weihnachtslieder auf Spanisch und deutsch, Maria hielt ein "echtes Baby" im Arm und aus der Dunkelheit kamen in der Ferne die drei Könige auf Pferden angeritten. Über uns das "Kreuz des Südens" und ein wunderbarer Sternenhimmel. Als dann zum Abschluss der Engelschor das "Gloria, halleluja... y paz en la tierra" (Friede auf Erden) anstimmte, war die Weihnachtsfreude im paraguayischen Urwald angekommen.
Dorothea Maier, Marienhagen
Ein Stall im Feld vor Vöhl. Ob hier wohl mal Maria und Josef waren? Das Licht über dem Stall leuchtet jedenfalls hell!
Foto: Kathrin-Isabel Eisenberg
Liebe Türchenöffner!
Heute hat sich das letzte der 24 Türchen des digitalen Adventskalenders unserer Kirchengemeinde geöffnet. Ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, um mich ganz herzlich bei allen Mitgestaltern zu bedanken! Ihr habt mit euren persönlichen Geschichten, Rätseln, Rezepten und Erzählungen dazu beigetragen, dass ein ganz bunter, einzigartiger Kalender entstanden ist - ohne eure Mithilfe wäre das nicht möglich gewesen! Mein Dank gilt auch allen, die jeden Tag ein Türchen geöffnet und uns auf vielfältige Art und Weise so positive Rückmeldung gegeben haben. Viele erzählten, sie seien jeden Morgen ganz neugierig und gespannt, was sich wohl heute hinter dem neuen Türchen verbergen würde... Es freut mich sehr, dass der Kalender ein bisschen Wärme und Nähe - der gebotenen Distanz zum Trotz - in unsere Dörfer und darüberhinaus bringen konnte.
Ich wünsche euch allen von Herzen ein frohes, gesegnetes Weihnachtsfest
- bleibt behütet!
Kathrin-Isabel Eisenberg